Plan B für Talent 3

Da war die Welt noch in Ordnung: Der Mobilitätslandesrat präsentierte das neue Schmuckstück der Flotte. VN/Hartinger
Weitere Verzögerungen führen zu Neuausschreibung. ÖBB entscheiden 2021.
Wien, Berlin, Bregenz Einst ein Vorzeigeprojekt von ÖBB, Bund und Land, drohen die Talent-3-Züge an die Wand zu fahren. Nach Verzögerungen bei der Auslieferung, Problemen bei der Zulassung und Unzulänglichkeiten beim Probebetrieb droht das Aus. Die ÖBB haben den Auftrag neu ausgeschrieben, wie die VN aus ÖBB-Kreisen erfahren haben. Zwar schlage man die Tür zu Hersteller Bombardier nicht zu, aber man arbeite an einem Plan B. Bei Verzögerungen könnte es auch andere der 300 Garnituren im Rahmenvertrag aller Bundesländer treffen. Es ist ein fast beispielloser Vorgang in Europa.
Die 21 Talent-3-Garnituren hätten den Zugverkehr in Vorarlberg im Sommer 2019 auf ein neues Level heben sollen: 100 Meter lang, mehr Platz, bequemer, schneller, mit Wlan. Einzige Errungenschaft bis heute: eine Garnitur im Probebetrieb. Es sei eine blöde Situation, ärgert sich ein ÖBB-Experte. Vorarlberg sei ein treuer Kunde. Aber man müsse an einen Ersatz denken.
Eigentlich hätte Bombardier die Zulassung längst in der Tasche haben sollen. Immer wieder hat etwas nicht funktioniert. Zumindest die Zulassung für den Probebetrieb von bis zu vier Garnituren klappte schließlich. In der Praxis durfte aber erst eine Probegarnitur auf die Schienen. „Es ist mühsam. Unsere Leute fahren nach Bludenz, schauen sich den Zug an, und es wird wieder nichts. Auch für den ersten Zug haben wir viele Anläufe gebraucht. Vielleicht klappt es, dass bald der zweite starten kann“, heißt es aus ÖBB-Kreisen.
Auch wenn der Probebetrieb Erfolg hat, muss das mehrmonatige Zulassungsverfahren von Neuem beginnen. Die Europäische Union hat vor einigen Jahren das vierte Eisenbahnpaket verabschiedet. Die Zulassungskriterien wurden geändert. Letzte Chance für eine Einreichung nach dem alten Regelwerk war der 31. Oktober 2020. Das ist sich nicht ausgegangen. Der Plan, auf Basis des Probebetriebs weiterzuarbeiten, geht nicht auf.
Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist der Verkauf von Bombardier an Alstrom. Die Wettbewerbsbehörde stimmte nur zu, wenn die Talent-Produktion in Berlin anderweitig verkauft wird. Wer den Zuschlag erhält und die Wartungsarbeiten der Talent 3 übernimmt, ist noch völlig unklar. Es könnte auch jemand sein, dem man nicht vertraut, heißt es aus den ÖBB.
Ein ÖBB-Experte fasst es im VN-Gespräch so zusammen: „Für uns ist es eine sehr unangenehme Geschichte. Wir sind in dieser Sache auch nur Passagier.“ Das Vertrauen sei nicht mehr zu 100 Prozent da. Der mögliche Alternativanbieter soll es schaffen, dass die Züge 2022 geliefert werden. Im ersten Halbjahr 2021 möchten sich die ÖBB entscheiden. Vielleicht darf Bombardier doch noch liefern. Vielleicht kommt aber auch ein ganz neuer Anbieter zum Zug.

Der zweite Talent 3 fährt nun durch Vorarlberg. ÖBB
Talent 3 von Bomardier
150 Millionen Euro soll die Beschaffung das Land kosten. Mittlerweile ist der Betrag nicht mehr aktuell: Bombardier bezahlt Strafen für die Lieferverzögerung, die Landesregierung wiederum überweist den ÖBB weniger für den Betrieb. Die ÖBB möchten das Geld von Bombardier zurückholen.
21 Garnituren mit einer Länge von 104 Metern wurden bestellt. Österreichweit umfasst der Rahmenvertrag der ÖBB mit Bombardier 300 Züge im Wert von 1,8 Milliarden Euro. Weitere Züge des Vertrags stehen auf der Kippe.