Fällige Abrechnung ist erfolgt

Liao Yiwu nutzt Friedenspreisverleihung zu Angriffen auf China und den Westen.
Frankfurt/Main. Die Ehrung mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels hat der exil-chinesische Autor Liao Yiwu (54) zu einer scharfen Abrechnung mit dem Regime seines Heimatlandes genutzt. Zugleich attackierte er den Westen. Liao warnte vor der Ansicht, der wirtschaftliche Aufschwung Chinas werde zwangläufig politische Reformen nach sich ziehen.
Liao nahm den mit 25.000 Euro dotierten Friedenspreis, einen der wichtigsten kulturellen Preise in Deutschland, gestern in der Frankfurter Paulskirche entgegen. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels zeichnete den Autor, der im vergangenen Jahr aus China nach Deutschland flüchtete und im Exil in Berlin lebt, dafür aus, dass er unerschrocken und sprachmächtig den unter Repression und Unterdrückung leidenden Menschen seines Volkes zu einer Stimme verholfen hat. „Für den Börsenverein ist es eine besondere Freude, mit Liao Yiwu einen im wahrsten Sinn des Wortes ,Volksschriftsteller‘ ehren zu können“, sagte Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Dachverbands der Branche.
Aufschwung ohne Reformen
Allein ein Ende des „diktatorischen chinesischen Großreichs“ bringe den Menschen in China und den unterdrückten Minderheiten im Land wie den Tibetern oder Uiguren Freiheit und Demokratie, sagte Liao.
Zugleich griff er scharf den Westen an. „Unter dem Deckmantel des freien Handels machen westliche Konsortien mit den Henkern gemeinsame Sache, häufen Dreck an.“ Es sei ein Irrtum, zu glauben, dass der wirtschaftliche Aufschwung Chinas zwangsläufig zu politischen Reformen führen werde, sagte Liao. „Das Wertesystem des chinesischen Imperiums ist längst in sich kollabiert und wird nur noch vom Profitdenken zusammengehalten.“ Die globalisierte freie Welt werde sich noch ausweglos in den „üblen (chinesischen) Fesseln des Profits“ verheddern. Liao beendete seine Dankesrede mit einem bewegenden Klagelied im Gedenken an die Mütter, die beim Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking am 4. Juni 1989 ihre Kinder verloren hatten.
Liao saß in China vier Jahre im Gefängnis. Die Erinnerungen an seine Gefängniszeit schrieb er in dem Buch „Für ein Lied und hundert Lieder“ nieder. Zweimal wurde ihm das Manuskript weggenommen. Um das Buch endlich veröffentlichen zu können, verließ er 2011 seine Heimat.
Von seinem chinesischen Landsmann Mo Yan, der am Donnerstag den Literaturnobelpreis erhielt, hatte sich Liao am Freitag auf der Buchmesse klar distanziert. Dieser sei ein „Staatsautor“, der das kommunistische Regime vertrete.
Liao Yiwu: „Für ein Lied und hundert Lieder“ und „Die Kugel und das Opium“, Verlag S. Fischer